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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 24.08.2006
Aktenzeichen: 7 TJ 1763/06
Rechtsgebiete: GVG, HSchulG, VwGO


Vorschriften:

GVG § 17a Abs. 2
GVG § 17a Abs. 4
HSchulG § 173 Abs. 2,
VwGO § 40 Abs. 1 S 1
VwGO § 67 Abs. 1
VwGO § 83
VwGO § 152 Abs. 1
1. Für Streitigkeiten, die sich aus der Entlassung eines Schülers aus einer privaten Ersatzschule ergeben, ist nicht der Verwaltungsweg, sondern der Zivilrechtsweg eröffnet.

2. Hat das Verwaltungsgericht gemäß §§ 173 VwGO, 17a Abs. 2 Satz 1 GVG seine Rechtswegzuständigkeit verneint, so ist gegen diese Entscheidung gemäß § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG die Beschwerde nach §§ 146 ff. VwGO statthaft; § 83 Satz 2 VwGO findet keine Anwendung.

3. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG findet auch in verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren Anwendung.

4. Die Vorschrift des § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG über die zulassungsgebundene - weitere - Beschwerde ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht anzuwenden.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

7 TJ 1763/06

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Schulrechts

hier: Verweisungsbeschluss

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 7. Senat - durch

Vizepräsidenten des Hess. VGH Dr. Rothaug, Richterin am Hess. VGH Dr. Rudolph, Richter am Hess. VGH Schönstädt

am 24. August 2006

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den (Verweisungs-)Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen vom 7. Juli 2006 - 4 G 1514/06 - wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu je einem Drittel zu tragen.

Gründe:

Die Beschwerde ist zulässig; sie ist insbesondere statthaft.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen vom 7. Juli 2006 - 4 G 1514/06 - betrifft nicht die sachliche oder örtliche Zuständigkeit, sondern den Rechtsweg. Mithin kommen nicht die Sätze 1 und 2 des § 83 VwGO zur Anwendung. Die Statthaftigkeit von Rechtsbehelfen gegen den Beschluss richtet sich vielmehr nach §§ 173 Satz 1 VwGO, 17a Abs. 4 Satz 3 GVG. Danach ist gegen den Beschluss "die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben". Im Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist also die Beschwerde nach §§ 146 ff. VwGO statthaft (Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 41 Rdnr. 28; Rennert, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 41 Rdnr. 31; Bay. VGH, Beschluss vom 20.02.2006 - 24 C 06.345 - zit. n. juris; Bay. VGH, Beschluss vom 04.12.1992 - 12 CE 92.3045 - BayVBl. 1993, 309).

Mit der herrschenden Meinung (vgl. von Albedyll und Funke-Kaiser, in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, 3. Aufl., § 41 Rdnr. 3, § 80 Rdnr. 80; Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 41 Rdnr. 6 ff.; Rennert, in: Eyermann, a. a. O., § 41 Rdnr. 3; Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: April 2006, § 41 Vorb. § 17 GVG Rdnr. 17; BVerwG, Beschluss vom 15.11.2000 - 3 B 10.00 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 286; OVG Berlin, Beschluss vom 23.01.1997 - 2 S 2/97 - NVwZ-RR 1998, 464; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 02.03.2000 - 2 M 105/99 - NVwZ 2001, 446; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.07.1997 - 19 E 169/97 - NJW 1998, 1579; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.07.2006 - 7 OB 105/06 - zit. n. juris; Hess. VGH, Beschluss vom 15.10.2002 - 8 TG 2579/02 - NVwZ 2003, 238; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.04.2000 - 5 S 378/02 - NVwZ-RR 2003, 159; OVG Hamburg, Beschluss vom 28.02.2000 - 4 So 5/00 - NVwZ-RR 2000, 842; Bay. VGH, Beschluss vom 04.12.1992, a. a. O.; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 25.05.2005 - 7 B 10356/05 - DVBl. 2005, 988) ist der Senat der Auffassung, dass § 17a GVG auch in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (entsprechend) anwendbar ist. Nach den §§ 17 ff. GVG soll die Rechtswegfrage in allen Verfahren einheitlich und frühzeitig geklärt werden. Bereits die Bezeichnung der Verfahrensbeteiligten in § 17a Abs. 2 GVG als "Kläger" oder "Antragsteller" deutet darauf hin, dass die Vorschrift über die Klageverfahren hinaus Bedeutung erlangen sollte. Mit den §§ 17 ff. GVG wird eine Verfahrensbeschleunigung angestrebt. Dieser kommt aber im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren keine geringere Bedeutung zu, als dies für das Hauptsacheverfahren der Fall ist. Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist es, die Frage der Rechtswegzuständigkeit in einem möglichst frühen Verfahrensstadium zu klären. Eine Verfahrensbeschleunigung würde aber gerade nicht erreicht, wenn das unzuständige Verwaltungsgericht das Verfahren wegen fehlender Rechtswegzuständigkeit abwiese und der Antragsteller erneut einen Antrag bei einem anderen Gericht stellen müsste. Würde sich dieses ebenfalls für unzuständig erklären, würde die besonders eilbedürftige vorläufige Gerichtsentscheidung weiter hinausgezögert. Nur durch die Anwendbarkeit insbesondere von § 17a GVG, der das andere Gericht an die Rechtswegverweisung bindet, wird die Möglichkeit eines negativen Kompetenzkonflikts ausgeschlossen und gewährleistet, dass der Antragsteller den von Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen Rechtsschutz erlangen kann (BVerwG, Beschluss vom 15.11.2000, a. a. O.).

Die Beschwerde gegen den Verweisungsbeschluss ist auch nicht deshalb unzulässig, weil die Antragsteller bei Erhebung der Beschwerde mit Schriftsatz vom 20.07.2006 noch nicht durch einen in § 67 Abs. 1 VwGO genannten Bevollmächtigten vertreten waren (vgl. zum Vertretungszwang für Beschwerden gegen eine Rechtswegverweisung: Czybulka, in: Sodan/Ziekow, a. a. O., § 67 Rdnr. 75; OVG Bremen, Beschluss vom 05.09.2003 - 1 S 228/03 - NordÖR 2003, 491; Bay. VGH, Beschluss vom 24.06.2003 - 5 C 03.1512 - zit. n. juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.03.2002 - 4 E 105/02 - NVwZ 2002, 885). Wie oben ausgeführt, ist das Verwaltungsgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass sein Beschluss gemäß § 83 Satz 2 VwGO unanfechtbar ist. Aufgrund der unterbliebenen Belehrung der Beteiligten über das zulässige Rechtsmittel, war gemäß § 58 Abs. 2 VwGO die Einlegung der Beschwerde innerhalb eines Jahres nach Zustellung der Entscheidung zulässig. Diese Frist haben die Antragsteller gewahrt, indem sie mit anwaltlichem Schriftsatz vom 14.08.2006 erneut Beschwerde gegen den Verweisungsbeschluss eingelegt haben.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet, da die Verweisung an die ordentliche Gerichtsbarkeit zu Recht erfolgte. Für den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, mit dem die Antragsteller die Wiederaufnahme der Antragsteller zu 1. und 2. in das private Gymnasium "Landschulheim Steinmühle" in A-Stadt begehren, ist der Verwaltungsrechtsweg nicht zulässig. Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit liegt hier nicht vor. Zur Begründung im Einzelnen wird auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Schüler und dem Träger einer Privatschule ist in seiner Grundstruktur privatrechtlich ausgestaltet. Der Anspruch auf Aufnahme in eine Privatschule oder die Abwehr der von ihr ausgehenden Ordnungsmaßnahmen (einschließlich der Entlassung des Schülers) richtet sich auf den Abschluss oder die Einhaltung eines Schulvertrages auf der Grundlage des allgemeinen Vertragsrechts und hat mithin privatrechtlichen Charakter; solche Rechte sind als "bürgerliche Rechtsstreitigkeiten" gemäß § 13 GVG vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.07.1997, a. a. O.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.03.1991 - 9 S 812/91 - BWVPr 1991, 162; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.06.1990 - 9 S 998/90 - SPE 232 Nr. 4; Bay. VGH, Beschluss vom 28.01.1982 - 7 CE 81 A.2144 - DÖV 1982, 371; Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, Band 1, Schulrecht, 3. Aufl. Rdnr. 626 m. w. N.).

Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die vorliegende Streitigkeit öffentlich-rechtlich überlagert wäre, d. h. der Antragsgegner im Rahmen der von den Antragstellern behaupteten Verweigerung der vertraglich geschuldeten Ausbildung hoheitliche Gewalt ausübt oder sich sonst auf öffentlich-rechtliche Vorschriften berufen würde, die zwischen den Beteiligten in Streit stehen. Dies ist aber hier nicht der Fall. Eine derartige öffentlich-rechtliche Überlagerung bewirkt insbesondere nicht der Umstand, dass es sich bei dem Antragsgegner um eine staatlich anerkannte Ersatzschule handelt. Zwar erlangt eine Privatschule mit der staatlichen Anerkennung die Rechtsstellung eines mit öffentlicher Gewalt beliehenen Unternehmers (BVerwG, Urteil vom 18.10.1963 - BVerwG VII C 45.62 - BVerwGE 17, 41), so dass im Umfang der Beleihung die zwischen der Privatschule und dem Schüler bestehenden Rechtsbeziehungen öffentlich-rechtlicher Art im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind. Der Umfang der Beleihung bestimmt sich nach den ihr zugrunde liegenden gesetzlichen Vorschriften. Nach der insoweit einschlägigen Regelung des § 173 Abs. 2 Satz 1 HSchG erhält die Ersatzschule mit der Anerkennung das Recht, nach den für öffentliche Schulen geltenden Vorschriften Prüfungen abzuhalten und Zeugnisse zu erteilen. Danach bestehen aufgrund der staatlichen Anerkennung zwischen der Ersatzschule und dem Schüler nur im Bereich des Prüfungs- und Zeugniswesens öffentlich-rechtliche Beziehungen. Im Übrigen bleibt es bei der privatrechtlichen Natur des Schulverhältnisses. Dies gilt insbesondere für die rechtlichen Beziehungen zwischen der Privatschule und einem Bewerber vor Abschluss des Schulvertrages, aber auch für die Erfüllung bzw. Kündigung dieses Vertrages selbst (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.07.1997, a. a. O.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.03.1991, a. a. O.; Bay. VGH, Beschluss vom 28.01.1982, a. a. O., Theuersbacher, NVwZ 1999, 838 [843]).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO.

Die Festsetzung eines Streitwerts für das Beschwerdeverfahren ist entbehrlich, da nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.

Der Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. Zwar enthält § 152 Abs. 1 VwGO einen Vorbehalt zu Gunsten des § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG. Dieser Bestimmung zufolge steht den Beteiligten die Beschwerde gegen einen Beschluss des oberen Landesgerichts an den obersten Gerichtshof des Bundes nur zu, wenn sie in dem Beschluss zugelassen worden ist. Dies hat zu geschehen, wenn die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn das Gericht von der Entscheidung eines obersten Gerichtshofs des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht (§ 17a Abs. 4 Satz 5 GVG). Die Vorschrift des § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG über die zulassungsgebundene - weitere - Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht ist nach Auffassung des Senats indes im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht anzuwenden. Eine weitere Beschwerde wäre mit dem Ziel der Eilverfahren, der Ermöglichung einer schnellen gerichtlichen Entscheidung, nicht vereinbar (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 15.10.2002, a. a. O.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.02.2002 - 5 S 378/02 - NVwZ-RR 2003, 159; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.03.1991, a. a. O.; Bay. VGH, Beschluss vom 04.12.1992, a. a. O.; Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a. a. O., § 41 Vorb. § 17 GVG Rdnr. 17; a. A.: Ziekow, in: Sodan/Ziekow, a. a. O., § 41 Vorb. § 17 GVG Rdnr. 9; Albers, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 17a GVG Rdnr. 5; Nds. OVG, Beschluss vom 14.07.2006 - 7 OB 105/06 - zit. n. juris).

Im Übrigen hätte auch eine Bejahung der Statthaftigkeit der Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht im Ergebnis keine Auswirkungen, weil die Voraussetzungen für eine Zulassung der Beschwerde nach § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG (Grundsätzlichkeit oder Divergenz) nicht vorliegen. Selbst wenn die Beschwerde statthaft wäre, wäre sie also nicht zuzulassen; eine Nichtzulassungsbeschwerde ist im Gesetz nicht vorgesehen (vgl. Albers, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a. a. O., § 17a GVG Rdnr. 13).

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